"Bildung für nachhaltige Entwicklung ist der Schlüssel!"

Kinder halten die Nachhaltigkeitsziele (SDG) in die Luft
© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Bis 2030 sollen die 17 Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Darauf haben sich im Jahr 2015 alle 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verständigt. Die Hälfte der Zeit ist verstrichen. Die Stiftung Kinder forschen trägt mit ihrem Projekt für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, zur Erreichung der 17 Ziele bei. Ute Krümmel leitet das Projekt und erklärt im Interview, warum BNE „der Schlüssel“ für eine nachhaltigere Entwicklung der Welt ist.

Ute Krümmel, die BNE-Projektleiterin der Stiftung Kinder forschen, spricht auf der BNE-Fachtagung 2022
© Thomas Ernst / Stiftung Kinder forschen
Ute Krümmel, die Projektleiterin BNE der Stiftung Kinder forschen, spricht auf einer BNE-Fachtagung im Jahr 2022.

Welche Rolle spielt BNE für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele?

Ohne Bildung können die 17 Nachhaltigkeitsziele definitiv nicht langfristig erreicht werden. Zu den Zielen gehören zum Beispiel Klimaschutz, mehr Gleichberechtigung der Geschlechter, sauberes Wasser für alle, weniger Armut und nachhaltiger Konsum. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein Unterziel, wird aber immer mehr als Schlüsselziel begriffen.

Bei BNE geht es darum, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, zu reflektieren, gemeinsame Werte auszuhandeln und ausgerichtet an diesen Werten ins Handeln zu kommen. Alle Menschen müssen mitziehen! Dafür müssen sie die Nachhaltigkeitsziele gut verstehen und das geht nur mit guter Bildung – und zwar weltweit. Aus diesem Grund startete die UNESCO im Jahr 2015 auch das Weltaktionsprogramm, um BNE bis 2030 weltweit in die Bildungssysteme zu integrieren.

Aus dem Weltaktionsprogramm der UNESCO ist in Deutschland der Nationale Aktionsplan BNE entstanden. Die Stiftung war an dessen Entwicklung beteiligt. Was ist dabei herausgekommen?  

Im „Nationalen Aktionsplan“ steckt das Wort „Aktion“. Wir haben darin für Deutschland Handlungsfelder, Ziele und Maßnahmen festgehalten, um BNE entlang der gesamten Bildungskette zu verankern. Warum sage ich „wir?“: Erarbeitet haben den Aktionsplan Foren, die sich nach den verschiedenen Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung über die Schule bis hin zur beruflichen Bildung – zusammensetzen.

Als Projektleiterin des BNE-Projekts der Stiftung Kinder forschen arbeite ich seit 2016 im Forum Frühkindliche Bildung mit. Ganz aktuell arbeiten wir daran, dass sich BNE in den Bildungsplänen der 16 Bundesländer noch deutlicher wiederfindet. Dafür vernetzen und unterstützen wir die Verantwortlichen in den Bildungs- und Kultusministerien. Wir erarbeiten aber auch Produkte. So ist in den vergangenen Jahren zum Beispiel der Referenzrahmen für die frühkindliche Bildung entstanden. Das ist ein Arbeitsmaterial für Träger, Kita-Leitungen und Teams, um BNE strukturell und dauerhaft in Kitas zu verankern.

Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein Unterziel, wird aber immer mehr als Schlüsselziel begriffen.

Ute Krümmel, Projektleiterin BNE bei der Stiftung Kinder forschen

Warum ist Bildung für nachhaltige Entwicklung schon ab der Kita wichtig?

Kinder haben ein sehr freudvolles Verhältnis zur Natur. Sie bewegen sich gerne frei und ungezwungen draußen und entdecken die Welt mit allen Sinnen. Kinder sind von Anfang an neugierig auf das, was um sie herum passiert. Dabei nehmen sie positive wie auch negative Entwicklungen unserer Zeit wahr. Sie bemerken, dass es den Bäumen im Wald nicht gut geht. Sie nehmen wahr, dass Eltern und Pädagog:innen besorgt sind, wenn es zu heiß draußen wird und lange nicht regnet. Außerdem haben Kinder schon sehr früh einen Gerechtigkeitssinn und verstehen, dass es unfair ist, wenn Menschen in anderen Ländern keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder anderen überlebenswichtigen Ressourcen haben. Kinder wollen die Hintergründe verstehen. Und dafür brauchen sie Ansprechpartner:innen, die ihre Fragen aufgreifen und vertiefen. Daraus können spannende Lerngelegenheiten entstehen.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen pädagogische Fach- und Lehrkräfte bei der Umsetzung von BNE stehen?

Die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte arbeiten am Limit. Sie haben mit dem zunehmenden Fachkräftemangel zu kämpfen und kaum Zeit Fortbildungen zu besuchen. Wenn es dann auch noch darum gehen soll, nachhaltiges Handeln in ihren Einrichtungen voranzubringen, kann das erst mal überfordernd sein. Das ist verständlich. BNE ist aber kein Projekt, das on top im Kita-Alltag umgesetzt wird, sondern hat einen ganzheitlichen Ansatz. Daran wird die ganze Einrichtung beteiligt – das Küchenpersonal, Pädagog:innen sowie die Leitung. Es ist also keine Belastung für einzelne Pädagog:innen, sondern ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Genau darum geht es bei BNE: gemeinsam Ideen voranzubringen und aktiv zu werden.

Eine weitere Herausforderung ist, dass sich die Gesellschaft bei Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz polarisiert. Vor dieser Polarisierung sind auch Kitas nicht gefeit. Die pädagogischen Fach- und Leitungskräfte müssen sich auf Gegenwind einstellen.

Wir hören zum Beispiel oft, dass Gegenwind auch von den Eltern kommen kann. Natürlich gibt es auch innerhalb eines Teams manchmal einzelne Personen, die der BNE erst mal skeptisch gegenüberstehen oder zu große Veränderungen fürchten. Hier stehen Kita-Leitungen vor der Herausforderung, das ganze Team einzubinden und mitzunehmen. Dabei geht es dann auch um Teamzusammenarbeit und Teamentwicklung.

Wie unterstützt die Stiftung Kinder forschen die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte konkret dabei, BNE umzusetzen?

Der erste Schritt ist, den Kitas zu zeigen, wo sie schon nachhaltig handeln. Weniger Plastik, biologisches Essen oder Pflanzaktionen im Kitagarten – viele Aktivitäten werden in den Kitas bereits umgesetzt. Genau hier setzen wir an. Im nächsten Schritt unterstützen wir sie mit dem Bildungskonzept der BNE dabei, das, was sie ohnehin schon tun, noch systematischer umzusetzen und ausgerichtet an Bildungszielen eigene Projekte auf den Weg zu bringen.

Sehr konkrete Anregungen bietet unser Bildungsangebot „Konsum umdenken“. Damit haben wir ein niedrigschwelliges Angebot zum Ziel 12 der insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele entwickelt. Daneben bieten wir Einstiegsfortbildungen zur BNE sowie weitere Online- und Vor-Ort-Angebote, aber auch Inhouse-Fortbildungen für ganze Kita-Teams und vielfältige, sofort einsetzbare Materialien an. Es ist für alle etwas dabei!

Tipp für Kitas: Jetzt in BNE einsteigen

Erzieherin und Kinder betrachten Pflanzen im Garten
© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Es ist Halbzeit der Agenda 2030: Welche Bilanz ziehst du für das BNE-Projekt der Stiftung?

Die Halbzeitbilanz auf die Agenda 2030 fällt eher ernüchternd aus. Es sind mehr Arten denn je vom Aussterben bedroht und Kriege verschärfen Hunger weltweit. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist und bleibt der Schlüssel, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Mit unserem BNE-Projekt sehen auch wir uns erst auf halbem Weg. In unseren ersten drei Projektphasen zwischen 2016 und 2022 haben wir schon viel erreicht: Zirka drei Viertel unserer rund 200 Netzwerkpartner bieten unser Bildungsangebot zur BNE in ihren Regionen an. Unser Online-Kurs Einstieg in BNE wurde auf unserem Campus über 8.650 Mal abgeschlossen und bisher haben sich 294 unserer Trainer:innen zu unserem BNE-Angebot fortgebildet – und das teilweise mehrfach zu den unterschiedlichen Themen. Ganz aktuell entwickeln wir ein neues Angebot, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, mit Kindern über die Klimakrise zu sprechen und gemeinsam ins Handeln zu kommen.   

Auch für uns gilt: BNE ist kein Projekt, das irgendwann abgeschlossen ist. Daher arbeiten wir immer weiter daran, BNE in der frühkindlichen Bildung zu verankern und die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte alltagsnah und praktisch bei der Umsetzung zu unterstützen. Gerade befinden wir uns in unserer vierten Projektphase. Sie läuft bis 2025.

Portrait von Winona von Vlahovits
Autor/in: Winona von Vlahovits

Als Referentin für Digitale Kommunikation und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) denke ich zusammen, was zusammengehört: MINT-Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ich bin überzeugt: MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung macht Kinder stark für die Zukunft und hilft uns dabei, eine nachhaltige und gerechte Welt zu gestalten.

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