Wie ein Apfel BNE ins Rollen bringt

Kind beißt in einen rotel Apfel
© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Was steckt eigentlich dahinter? Und wo spielt nachhaltiges Handeln im Kita-Alltag eine Rolle? Bei Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) geht es darum, alltägliche Situationen zu nutzen, um gemeinsam ins Handeln zu kommen. Große Veränderungen beginnen im Kleinen und eine Obstpause kann den Stein ins Rollen bringen…

Die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „nachhaltig“ werden in unserem Alltag ziemlich unterschiedlich verwendet. Wenn wir sagen „Diese Person hat mich nachhaltig beeinflusst“, meinen wir, dass sich ihr Einfluss über einen längeren Zeitraum tiefgreifend auswirkt. Im Zusammenhang mit Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz BNE, wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ in einer spezifischen Bedeutung verwendet –wir sollten nicht auf Kosten der Menschen anderer Regionen oder künftiger Generationen leben.

BNE hilft Kindern und Erwachsenen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere und auf ihre Umwelt zu erkennen und sich so zu verhalten, dass möglichst niemand benachteiligt wird. Das Ziel ist eine Welt, die sich nachhaltig entwickelt. Das Ziel ist ein Großes. Wie können wir das schon in der Kita angehen?

BNE lebt vom gemeinsamen Handeln. Es geht nicht nur um Themen, wie Klima- und Umweltschutz, sondern darum, Dinge gemeinsam und partizipativ auszuhandeln. Bereits in der Kita können wir solche partizipativen Prozesse anstoßen.

Der Whole-Institution-Approach

Dafür ist es wichtig, BNE in der Kita über die pädagogische Arbeit hinaus zu denken. Der sogenannte Whole-Institution-Approach – übersetzt etwa „ganzheitlicher Ansatz“ – spielt dabei eine zentrale Rolle. Ganzheitlich bedeutet: BNE gelingt nur, wenn die gesamte Einrichtung betrachtet wird und möglichst alle eingebunden sind.

Neben der Kita-Leitung und dem pädagogischen Personal werden auch die Hauswirtschaftskräfte als Expert:innen auf ihrem Gebiet in die Arbeit mit den Kindern einbezogen. Die Hausmeisterin baut später vielleicht einen Komposthaufen oder ein Tauschregal mit den Kindern. Der Koch probiert mit ihnen Rezepte aus, spricht über den Einkauf von Lebensmitteln oder arbeitet an einem nachhaltigeren Speiseplan. Ziel ist es, dass sich die gesamte Einrichtung mit allen Bereichen zukunftsfähig und gerecht auf den Weg macht. So kann sie ein Ort werden, an dem Kinder lernen, nachhaltiger zu denken und zu handeln.

Genau darum geht es bei BNE: Nicht nur über Dinge zu sprechen, sondern auch tatsächlich etwas zu tun – und zwar gemeinsam.

Anlässe schaffen

Die Fragen einer nachhaltigen Entwicklung bewegen sich immer wieder um Schlüsselthemen, wie Konsum und Lebensstile, Klima und Klimawandel, Ernährung und Landwirtschaft oder Mobilität und Verkehr. Diese Schlüsselthemen lassen sich in alltäglichen Situationen in der Kita aufgreifen. So können zum Beispiel eine Obstpause oder die Vesper einen guten Anlass bieten, um mit den Kindern in BNE einzusteigen. Welche Schlüsselthemen nachhaltiger Entwicklung verbergen sich zum Beispiel hinter einem Apfel?

Wenn wir uns fragen: Woher kommt der Apfel? Was braucht ein Apfelbaum, damit er Früchte trägt? Wer hat den Apfel geerntet und können sich alle Menschen einen Apfel leisten? stecken wir schon mittendrin in den Schlüsselthemen einer nachhaltigen Entwicklung.

Über den Apfel kann man sich zum Beispiel dem Thema Landwirtschaft annähern. Beim gemeinsamen Gärtnern im Kita-Garten können die Kinder beobachten, wie aus Samen Sprösslinge werden und an Pflanzen schließlich Obst wächst. Sie erkennen, dass unsere Lebensmittel erst einmal entstehen müssen, bevor sie auf unseren Tellern landen. Das stärkt ihre Wahrnehmung der Natur und ihr Bewusstsein, dass wir von der Natur abhängig sind.

Und was ist mit Lebensmitteln, die im Gegensatz zum Apfel nicht bei uns wachsen? Haben die Kinder schon mal eine Banane wachsen sehen? Und woher kommt eigentlich der Kakao in der Schokolade? Mit Landkarte, Pinnnadel und Faden können die Kinder Transportwege nachvollziehen. So entwickeln sie ein Verständnis für größere Zusammenhänge.

Bildung für nachhaltige Entwicklung befähigt Kinder (und Erwachsene), Zusammenhänge zu verstehen und zu erkennen, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf die Natur und andere Menschen hat.

Mit Kindern über den Klimawandel sprechen?

Das Gefühl etwas verändern zu können, ist vor allem bei Themen wichtig, die auch negative Gefühle hervorrufen können. Zum Beispiel beim Thema Klimawandel. Schon Kita-Kinder nehmen Klimawandelfolgen wie Starkregen, Überschwemmungen oder Hitzewellen wahr und die Kinder von heute werden die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels erleben. BNE hilft dabei, die Kinder nach und nach darauf vorzubereiten, mit Veränderungen und unangenehmen Gefühlen umzugehen. Die Psychotherapeutin Katrin Bosshard sagt:

Das Schlimmste für die menschliche Psyche ist das Erleben von Ohnmacht. Wir brauchen also Ideen dafür, was wir tun können. Sobald wir ins Tun kommen, erleben wir uns wirksam. Das entlastet ungemein und Kinder spüren diese Entlastung sofort und bekommen eigene Ideen.

Katrin Bosshard, Psychotherapeutin

Vom Denken ins Handeln kommen, genau darum geht es bei BNE. Auch hier lautet wieder die Devise: Am Alltag der Kinder orientieren. Der Klimawandel ist komplex, es geht nicht darum alle Elemente und Mechanismen, die unser Klima bestimmen, zu begreifen. Erst einmal geht es darum, mit den Kindern Fragen zu entwickeln und anschließend gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

BNE – ein echtes Gemeinschaftsprojekt

Um eine gute Zukunft für unsere Kinder und für Menschen auf der ganzen Welt zu gestalten, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Bei BNE geht es darum, Veränderungen anzustoßen – und zwar gemeinsam. Es geht darum, Dilemma-Situationen nicht zu vermeiden, sondern als Lerngelegenheiten zu nutzen. Aus alltäglichen Situationen können dabei echte Gemeinschaftsprojekte entstehen. So werden Strukturen und Abläufe in der Einrichtung hinterfragt und zwar immer wieder aufs Neue. Wenn Kinder dabei eingebunden, ihre Ideen gehört und ihr Denken ernst genommen werden, legt das den Grundstein dafür, dass sie auch später für ihre eigenen Positionen eintreten. Und genau das braucht eine nachhaltige Entwicklung: Menschen, die den Mut haben, vorhandene Strukturen in Frage zu stellen und Veränderungen anzustoßen.

Bald ist es soweit: Neues Bildungsangebot

Fünf Kinder strecken die Arme in die Luft und jubeln.
© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Wir entwickeln ein neues Bildungsangebot, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt altersgerecht sowie praxis- und alltagsnah den Klimawandel aufzugreifen. Ab Frühjahr 2024 könnt ihr das Bildungsangebot „Was macht der Schneehase ohne Schnee? Klimawandel begreifen, gemeinsam handeln“ nach und nach in vielen Regionen Deutschlands buchen. Bis es soweit ist, könnt ihr schon jetzt in BNE einsteigen!

Online-Kurs: „Einstieg in Bildung für nachhaltige Entwicklung“
Inhouse-Fortbildung: "Türen auf! Unser Weg zu Bildung für nachhaltige Entwicklung"

Der Beitrag ist im Rundbrief (Ausgabe 19 / 2023) „Klima und Gesundheit“ im Kitaalltag verbinden des Netzwerks Kita und Gesundheit erschienen.

Portrait von Mariel Wille
Autor/in: Mariel Wille

Ich bin Diplom-Pädagogin und Systemische Beraterin (DGSF) und arbeite seit 2013 bei der Stiftung Kinder forschen. Dort erstelle ich Inhalte und Fortbildungen zu Bildung für nachhaltige Entwicklung.

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Portrait von Winona von Vlahovits
Autor/in: Winona von Vlahovits

Als Referentin für Digitale Kommunikation und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) denke ich zusammen, was zusammengehört: MINT-Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ich bin überzeugt: MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung macht Kinder stark für die Zukunft und hilft uns dabei, eine nachhaltige und gerechte Welt zu gestalten.

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