"Alles, was Computer machen, ist menschengemacht."

© Christoph Wehrer / © Stiftung Haus der kleinen Forscher
Informatische Bildung sollte bereits früh beginnen.

Wie steht es um die digitale Bildung in Kita und Grundschule? Und wie können pädagogische Fach- und Lehrkräfte mit den Herausforderungen der Digitalisierung umgehen? Diese Fragen beantwortet uns Prof. Dr. Olaf Köller im Interview. Er ist Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz und leitete die Arbeitsgruppe zum Gutachten „Digitalisierung im Bildungssystem“.

Ein Leben ohne digitale Medien ist kaum noch vorstellbar. Wie beeinflusst das Kinder in der Kita und Grundschule?

Wir erleben digitale Medien in allen Lebensbereichen und in allen Altersgruppen. Auch schon kleine Kinder erleben die Digitalisierung in ihrem familiären Umfeld, in der Kita und Grundschule. Sie wischen auf Smartphones, tippen auf Computern, starten Apps und spielen auf Tablets. Es ist wichtig, jungen Kindern zu vermitteln, dass die digitale Welt mehr bereithält als Spiele. Wir können digitale Geräte nutzen, um persönliche Ziele zu erreichen, kreativ zu sein und um zu lernen. Und das alles fängt lange vor der Schule an. Daher war es uns in der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission wichtig, die Kita explizit als Bildungsetappe hervorzuheben. Hier sollten Kinder bereits anfangen, den kompetenten Umgang mit digitalen Medien zu lernen.

Welchen Stellenwert hat digitale Bildung derzeit in der Kita und Grundschule?

In der frühkindlichen Bildung wird die Nutzung von Computern, Tablets oder anderen digitalen Medien oft noch sehr kritisch gesehen. Es wird mehr auf die Gefahren hingewiesen als auf die Chancen. Das liegt auch an den Bildungsplänen in vielen Bundesländern, die geprägt sind von einem sehr medienkritischen Blick. Und das ist auch in der Kita so.

Was müsste geändert werden?

Die Bildungspläne! Darin muss vorkommen, wie digitale Geräte sinnvoll in Kita und Grundschule eingesetzt werden können. Und wir müssen den kompetenten Umgang mit digitalen Medien in die Ausbildung der pädagogischen Fach- und Lehrkräfte einbinden. Zudem fehlt es in den Kitas und in den Grundschulen oft an technischer Ausstattung. Es braucht Lern- und Erfahrungsgelegenheiten, um digitale Kompetenzen bei den Kindern aufzubauen.

„Digitale Medien dürfen kein Selbstzweck sein.“

Prof. Dr. Olaf Köller
Prof. Dr. Olaf Köller

Welche digitalen Kompetenzen sind für junge Kinder besonders wichtig?
Kinder sollten frühzeitig lernen, dass alles, was Computer machen, menschengemacht ist. Digitale Geräte und auch künstliche Intelligenzen (KIs) tun erst mal nur das, was Menschen ihnen vorher gesagt haben. Das ist eine wichtige Erkenntnis, auch für Kinder. Und dann können wir Kindern das „Wie“ vermitteln: Computer, Tablets und auch KI funktionieren regelbasiert. Diesen Bezug verstehen auch Kinder in der Kita und Grundschule schon. Jedes Spiel folgt Regeln, egal ob selbst erfunden, als Brettspiel oder App. So können Kinder auch über ihr analoges Alltagserleben ein algorithmisches Verständnis entwickeln und wir können ihnen den Bezug zur digitalen Welt zeigen.

Wie sieht für Sie eine gute Einbindung von digitalen Angeboten und Geräten in den Kita- und Grundschulalltag aus?
Digitale Medien dürfen hier kein Selbstzweck sein – das macht auch unser Gutachten deutlich. Es geht uns bei der Forderung nach mehr Digitalisierung nicht darum, dass der Tag der Kinder durch digitale Geräte dominiert wird. Das Naturerleben, das Erforschen der Umwelt, das Beobachten sowie die Interaktion von Kindern untereinander bzw. mit den pädagogischen Fach- und Lehrkräften sollen weiter im Mittelpunkt stehen. Aber wir können überlegen, welche Lernanlässe es gibt, die nur mit digitalen Geräten entstehen können.

 

„Das sind Erfahrungen, die für Kinder in der normalen Welt nicht sichtbar oder beobachtbar sind.“

Prof. Dr. Olaf Köller

Können Sie uns ein Beispiel geben?
Nehmen wir die digitale Lupe. Mit ihr können wir Dinge vergrößern und sichtbar machen. Etwa ein Haar, das wir ganz genau betrachten können. Oder wir filmen mit einer Kamera einen explodierenden Luftballon und beobachten dies auf einem Bildschirm in Zeitlupe. Das sind Erfahrungen, die für Kinder in der normalen Welt nicht sichtbar oder beobachtbar sind.

Pädagogische Fach- und Lehrkräfte werden – wie wir alle – ständig mit technischen und digitalen Neuheiten konfrontiert. Wie können sie mit der Herausforderung umgehen?
Ich möchte Erzieher:innen und Lehrer:innen Mut machen. Im Alltag nutzen wir alle diese Geräte. Viele Fach- und Lehrkräfte haben den Einsatz von digitalen Geräten oder Materialien in ihrer Ausbildung jedoch nicht gelernt. Sie haben erfolgreiche Routinen aufgebaut, um in der Kita oder im Unterricht Wissen und Kenntnisse zu vermitteln – ganz ohne digitale Endgeräte. Daher geht es in erster Linie um Weiterbilden und Informieren. Wir müssen ihnen Tipps geben, wo sie qualitätsgesicherte Materialien finden können. Und wir müssen sie darin unterstützen, digitale Geräte und Materialien in ihren Berufsalltag einzubinden. Hier sind Bund, Länder, Kommunen und Träger der Kitas in der Pflicht. Wir brauchen einen gemeinsamen Plan zur digitalen Professionalisierung – und der muss auch die Kita einschließen. Meine Forderung ist: Lasst die Lehrkräfte, lasst die Erzieher:innen nicht alleine!

 

Aktuelle Ausgabe der "Forscht Mit!": "Die Welt im Fokus" (02/2023)

Das Interview ist in der neuen "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 02/2023 zu finden.
Fotografie bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an MINT-Inhalte und lässt sich gut mit dem Thema "Digitalisierung" verbinden. Die Kamera ist gleichermaßen technisches Gerät und künstlerisches Werkzeug. Sie macht Dinge sichtbar, Kinder können mit ihr Geschichten erzählen. Pädagogische Fach- und Lehrkräfte können die Mädchen und Jungen dabei gut begleiten: wenn diese mit dem digitalen Mikroskop Objekte betrachten oder eine Fotoausstellung der Forschungsgegenstände organisieren. In der Ausgabe der "Forscht mit!" erwarten dich viele spielerische Forscherideen zum Thema "Fotografie". Im Heft findest du gute Beispiele aus der Praxis von Kita, Hort und Grundschule – vom Bau eines einfachen Objektivs bis zur Motivauswahl.

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Portrait von Daniela Krebs
Autor/in: Daniela Krebs

Als Referentin für Presse, Public Affairs und Digitale Kommunikation setze ich mich dafür ein, dass #gutefrüheBildung für alle Kinder ermöglicht wird. Ich arbeite in der Stiftung daran, die Themen rund um gute frühe MINT-Bildung und die Arbeit der Stiftung bekannter zu machen.

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