"Wir müssen und wir können etwas tun - gemeinsam!"

© Christoph Wehrer / Stiftung Kinder forschen

Prof. Dr. Anabel Ternès ist geschäftsführende Direktorin des SRH Instituts für Nachhaltiges Management und Geschäftsführerin der GetYourWings gGmH. Sie ist bekannt als Zukunftsforscherin, Keynote Speakerin, Autorin und Gründerin nachhaltiger Start-ups. Im Interview erklärt sie, was Nachhaltigkeit und Digitalisierung verbindet und wie wichtig es ist, beim Thema „Reste“ umzudenken.
 

Anabel Ternes.
© Bettina Volke
Anabel Ternes

Sie beschäftigen sich beruflich nahezu rund um die Uhr mit Nachhaltigkeit. Spielte diese für Sie schon als Kind eine Rolle?

Es gab ein Stranderlebnis, das mich nachhaltig geprägt hat, als ich sieben war. Meine Eltern hatten geplant, mit mir an den Strand von Norddeich Mole zu fahren. Ich freute mich darauf, Sandburgen zu bauen und zu schwimmen. Was ich dort sah, erschütterte mich: Plastikmüll und Möwen, die darauf saßen und sich Abfallreste rauspickten. Seit diesem Erlebnis malte ich Umweltschutzplakate, gründete einen Umweltschutzclub und entwickelte Hörspiele, in denen ich auf Umweltschutz aufmerksam machte.
Der Fluchthintergrund meiner Familie führte mich zu der Erkenntnis: Wir können dankbar sein, denn wir wurden hier aufgenommen und konnten uns eine neue Existenz aufbauen. Ich möchte, dass es anderen Menschen ebenso geht. Der Einsatz für Umweltschutz wie für Menschenrechte, also für ökologische wie soziale Nachhaltigkeit, war damals so reflektiert, wie es ein Kind vermag. Ich hatte früh dieses Gefühl: Wir müssen etwas tun und wir können etwas tun – zusammen.

Sie haben die gemeinnützige Organisation „GetYourWings“ gegründet, die nachhaltige Zukunftskompetenzen vermittelt. Wie wichtig sind diese Kompetenzen bereits für Kita- und Grundschulkinder?

Die Vermittlung digitaler Kompetenz in Verbindung mit Nachhaltigkeit ist wichtig, um Kinder früh auf eine digitale und nachhaltige Gesellschaft vorzubereiten. Es ermöglicht ihnen, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen und innovative Lösungen zu entwickeln. In unserer heutigen digitalisierten Welt sind technologische Fähigkeiten unerlässlich, um in Beruf und Alltag erfolgreich zu sein. Gleichzeitig sind Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein erforderlich, um die Herausforderungen des Klimawandels anzugehen und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Daher sollten wir frühzeitig digitale Kompetenzen und Nachhaltigkeitsaspekte in den Bildungsprozess integrieren, um eine solide Grundlage zu schaffen.

Gesunde Digitalisierung bedeutet, einen ausgewogenen und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Technologien zu fördern.

Prof. Dr. Anabel Ternès

Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Ich bekomme manchmal Anfragen von Eltern, wie: „Ist es nicht besser, digitale Tools bis zum 12. Lebensjahr zu verbieten?“ Und ja, es wäre natürlich besser, wenn Kinder erst einmal Zeit genug haben – und sich selbst nehmen wollen, um draußen zu spielen, Sport zu treiben, vor allem im Team, in der Natur zu sein, Umweltwissen erwerben, insgesamt ein gutes Körpergefühl entwickeln – und ein Gefühl für die Umwelt und für die Natur. Allerdings sieht die Praxis oft anders aus – verbieten vereinzelte Eltern digitale Tools komplett, wird das Kind schnell zum Außenseiter oder sucht nach Alternativen, digitale Tools heimlich zu nutzen.

Ich halte es für besser, Erziehungsberechtigte darüber zu informieren, was physisch und psychisch passiert, wenn Kinder Zuviel und Schädliches an digitalen Medien konsumieren, was für Medien unbedenklich sind und wie Kinder digitale Tools reflektiert nutzen können.

Ganz klar ist: Digitalisierung soll genutzt werden, wo und soweit sie sinnvoll ist – also nicht als bloßer Ersatz für eine klassische Tafel beispielsweise. Und klar ist auch: Je nach Alter sowie psychischer und physischer Entwicklung der Kinder müssen digitale Medien bzw. Tools, Hardware bzw. Software, Lern-Apps, Spiele und Filme sorgfältig ausgewählt werden.

Interview aus dem Magazin "Forscht mit!"

"Restlos glücklich?"
Die Ressourcen auf der Erde sind endlich. Materialien für Dinge, die wir in unserem Alltag benötigen, werden zunehmend knapp und damit wertvoll. Was können Kinder tun, um im Sinne nachhaltigen Handelns möglichst wenig Reste entstehen zu lassen? Erforsche gemeinsam mit den Kindern, wie sie aus einem Blatt Papier die größte Ausbeute an Papierkreisen erzielen. Kreiert gemeinsam Stiftverlängerungen, um kurze Stummel noch weiter nutzen zu können. Diese Ausgabe zeigt, dass „Reste“ ein wichtiges Nachhaltigkeitsthema sind, zu dem sich wunderbar forschen lässt.
Das Interview ist in der "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 03/2023 zu finden.

Zum E-Paper

Sie betonen die Wichtigkeit von gesunder Digitalisierung. Was bedeutet das für Sie?

Gesunde Digitalisierung bedeutet, einen ausgewogenen und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Technologien zu fördern. In Kita und Schule ist dies besonders wichtig, da der übermäßige Bildschirmkonsum und die mangelnde Balance zwischen digitalen und nicht digitalen Aktivitäten negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder haben können. Es geht darum, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen, aber auch die potenziellen Risiken für die physische und psychische Gesundheit der Kinder zu berücksichtigen.

Es ist wichtig, Kindern bewusst zu machen, dass ihre Handlungen und Entscheidungen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft haben.

Prof. Dr. Anabel Ternès

Was sollten pädagogische Fach- und Lehrkräfte jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit mit auf den Weg geben?

Sie sollten jungen Menschen grundlegende Kenntnisse über Nachhaltigkeit vermitteln – und zwar über ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Wichtig ist dabei auch, wie die drei Bereiche zusammenhängen, um miteinander langfristig wirkungsvoll werden zu können. Wir müssen unseren Kindern bewusst machen, dass ihre Handlungen und Entscheidungen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft haben und dass sie mit ihrem individuellen nachhaltigen Handeln einen Unterschied machen bzw. zu einer lebenswerten Zukunft beitragen können.

 

Das könnte auch beim Umgang mit Resten anfangen …

Oft werden Reste als Abfall angesehen und wenig beachtet, während sie tatsächlich ein wertvolles Ressourcenpotenzial darstellen. Wir müssen Reste anders wahrnehmen. Statt sie als nutzlosen Abfall zu betrachten, sollten wir sie als wertvolle Rohstoffe begreifen, die recycelt, wiederverwendet oder in neue Produkte umgewandelt werden können. Es gibt so viele gute Beispiele, mit denen Kinder das ganz einfach nachvollziehen können: Spielzeug aus Müll herstellen, wie es Weltläden verkaufen, oder auch Essen, das übriggeblieben ist, z. B. gekochte Kartoffeln, weiterverwenden zu Kartoffelbrei oder für einen Auflauf.

Portrait von Daniela Krebs
Autor/in: Daniela Krebs

Als Referentin für Presse, Public Affairs und Digitale Kommunikation setze ich mich dafür ein, dass #gutefrüheBildung für alle Kinder ermöglicht wird. Ich arbeite in der Stiftung daran, die Themen rund um gute frühe MINT-Bildung und die Arbeit der Stiftung bekannter zu machen.

Alle Artikel von Daniela Krebs