"Reparieren kann Leben retten!"

© SDTB/Clemens Kirchner
Inci Güler und Justine Czerniak haben die Ausstellung "Reparieren!" im Deutschen Technikmuseum in Berlin mit-kuratiert.

Inci Güler und Justine Czerniak vom Deutschen Technikmuseum in Berlin erzählen im Interview, warum wir im Alltag weniger reparieren und wie wir wieder damit anfangen können. In der von ihnen mit kuratierten Ausstellung „Reparieren!“ haben sie Zeit und Raum für Begegnungen mit Reparatur geboten und sprechen darüber, was Reparieren so schön macht.

Was macht Spaß am Reparieren?

Inci Güler: Erst wenn wir anfangen zu reparieren, merken wir, wie viel Spaß das macht. Zahlreiche Kinder kommen wenig mit Reparatur in Berührung. Lernen sie es dann, macht es ihnen viel Freude. Sie entdecken, dass kaputte Dinge nicht sofort in den Müll müssen, denn vielleicht lassen sie sich noch reparieren. Am Ende sind die Kinder stolz, wenn sie es geschafft haben, und blicken anders auf ihre Umwelt und auf Alltagsgegenstände.

Justine Czerniak: Je mehr wir reparieren, desto mehr Spaß macht es. Unsere Fähigkeiten und das Selbstbewusstsein wachsen dabei. Wir müssen neugierig bleiben, ausprobieren und auch mal scheitern. Manche Reparaturen klappen nicht, aber wo es funktioniert, stärkt das unsere Beziehung zu den reparierten Dingen.

Welche Rolle spielt Reparatur in unserem Alltag und in Schulen?

Inci Güler: Unsere Workshops sind sehr beliebt, weil in der Schule selbst keine Zeit und kein Raum für die Beschäftigung mit Reparatur und handwerklichen Aufgaben vorhanden sind. Viele Schulen haben keine Werkstätten mehr. Der Lehrplan gibt nicht mehr vor zu lernen, eine Socke zu stopfen oder einen Knopf anzunähen.

Justine Czerniak: In hoch spezialisierten Bereichen ist Reparatur noch üblich, aber aus unserem Alltag verschwindet sie immer mehr. Neuwertigkeit und Makellosigkeit haben in unserer Gesellschaft einen hohen Wert. In unserer Wohlstands- und Konsumgesellschaft werden wir eingeladen, Sachen wegzuwerfen und neu zu kaufen. Oft ist das günstiger – auch für Hersteller. Reparatur wird also schwieriger.

Interview aus dem Magazin "Forscht mit!"

"Restlos glücklich?"
Die Ressourcen auf der Erde sind endlich. Materialien für Dinge, die wir in unserem Alltag benötigen, werden zunehmend knapp und damit wertvoll. Was können Kinder tun, um im Sinne nachhaltigen Handelns möglichst wenig Reste entstehen zu lassen? Erforsche gemeinsam mit den Kindern, wie sie aus einem Blatt Papier die größte Ausbeute an Papierkreisen erzielen. Kreiert gemeinsam Stiftverlängerungen, um kurze Stummel noch weiter nutzen zu können. Diese Ausgabe zeigt, dass „Reste“ ein wichtiges Nachhaltigkeitsthema sind, zu dem sich wunderbar forschen lässt.
Das Interview ist in der "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 03/2023 zu finden.

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Wie ändern wir das?

Justine Czerniak: Durch private und strukturelle Veränderungen. Das bedeutet, dass wir uns bewusst Zeit dafür nehmen und uns mit der Arbeit mit den Händen und dem Handwerk auseinandersetzen. Die Wirtschaft braucht Vorgaben und Anreize, um reparaturfreundlichere Designs umzusetzen, die die Lebensdauer von Dingen verlängern. Hier kann die Politik viel machen. Anreiz für Konsumenten wäre z. B. ein bundesweiter Reparaturbonus, der einen Teil der Reparaturkosten erstattet.

 

Man sollte klein anfangen, um sich später etwas Größeres zutrauen zu können.

Inci Güler

Aller Anfang ist schwer. Wie können Erwachsene und Kinder erste Hürden beim Reparieren meistern?

Justine Czerniak: Indem wir es einfach machen. Super ist ein Rahmen, in dem man sich ausprobieren, Fragen stellen und angeleitet werden kann. Initiativen wie Repair-Cafés sind dafür geeignete Orte, da man dort Menschen mit Fachwissen und Erfahrung begegnet.

Inci Güler: Hilfreich ist auch, Grundreparaturen zu erlernen. In den Schulen wünschen sich viele junge Menschen zu lernen, Handys zu reparieren. Wer aber noch nie einen Schraubenschlüssel in der Hand hatte, ist damit überfordert. Eine Skateboardachse ab- und anzuschrauben ist oft schon eine Herausforderung. Man sollte klein anfangen, um sich später etwas Größeres zutrauen zu können.

Oft sind kaputte Dinge, die wir heute noch reparieren, sehr persönlich und uns ans Herz gewachsen.

Justine Czerniak

Welche Rolle spielen Werkzeuge beim Reparieren?

Inci Güler: Zahlreiche Menschen müssen heute Werkzeuge und ihren Verwendungszweck erst kennenlernen und den motorischen Umgang damit üben. Kinder der Klassen vier bis sechs arbeiten bei uns mit Werkzeugkoffern. Die meisten wissen vielleicht noch, was ein Hammer ist, aber selbst Sicherheitsnadeln haben viele noch nie genutzt. Manche Werkzeuge, etwa Zangen zur Schmuckreparatur, die mit beiden Händen gleichzeitig genutzt werden, sind auch für ungeübte Erwachsene anspruchsvoll.

Justine Czerniak: Wir Menschen haben unsere Fähigkeiten schon immer mit spezialisierten und improvisierten Werkzeugen erweitert, denn ohne sie funktioniert Reparieren oft nicht. Bei der von Pech und Pannen verfolgten „Apollo-13-Mission“ im Jahr 1970 hing das Überleben der Crew von ihrer Reparatur- und der Improvisationsfähigkeit mit den vorhandenen Werkzeugen und Gegenständen ab. Reparieren kann Leben retten!

Was ist neben Nachhaltigkeit schön am Reparieren?

Inci Güler: Dadurch, dass Kinder Dinge selbst machen, werden diese wertvoll für sie. Wählen sie zur Reparatur Muster oder Farben, die sie mögen, gewinnt ihr Objekt zusätzlich an Schönheit. Reparatur kann auch ein Gemeinschaftsgefühl schaffen.

Justine Czerniak: Es gibt historische Methoden, die den ästhetischen Wert von Reparatur hervorheben. Bei der Kintsugi-Reparaturmethode werden Bruchstellen betont und der Gegenstand wird zum Unikat. Oft sind kaputte Dinge, die wir heute noch reparieren, sehr persönlich und uns ans Herz gewachsen. Sachen zu reparieren ist auch eine Lebensphilosophie. Sie zeigt, wie ich mit Vergänglichkeit, Verfall und Macken umgehe. Ich messe dem Alter dabei Wert bei und schenke den Dingen Aufmerksamkeit und Zeit.

Sonderausstellungen im Deutschen Technikmuseum Berlin

© SDTB

Die Sonderausstellung "Reparieren! Verwenden statt verschwenden" war von Dezember 2022 bis Anfang September 2023 eine Anlaufstelle zum Ausprobieren von Reparatur für Schulen, Kinder und Familien. Themen der Ausstellung waren etwa "Selbstreparatur bei Lebewesen", "Reparieren in Gemeinschaft" oder das "Recht auf Reparatur". Mehr über die Ausstellungen des Museums gibt es hier: https://technikmuseum.berlin/ausstellungen

Im Deutschen Technikmuseum in Berlin gibt es vom 24.11.2023 bis 08.09.2024 auch die Sonderststellung "Dünnes Eis. Komm mit auf Klima-Expedition!" in der Ladestraße des Deutschen Technikmuseums. Schulklassen und Familien erfahren, wie es ist, in der Arktis zu forschen.

Portrait von Hanna Buchheit
Autor/in: Hanna Buchheit

In bin Multimedia-Referentin in der Stiftung Kinder forschen.

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