„Meine größte Freiheit erlebe ich im Skatepark.“

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David Lebuser zeigt mit seinem Rollstuhl, wie Tricks im Skatepark funktionieren können.

David Lebuser überwindet Hindernisse und macht Tricks im Skatepark. Seit einem Unfall querschnittsgelähmt, wurde er 2018 und 2019 Deutscher Meister im Rollstuhlskaten (WCMX) und setzt sich mit seinem Verein Sit’n’Skate für eine inklusivere Gesellschaft und für mehr Freiheiten für Menschen im Rollstuhl ein.

Für viele ist es ein Widerspruch: eine Person im Rollstuhl in einem Skatepark. Bis sie die Tricks sehen, die du im Rollstuhl machst. Daher die Frage: Können alle Menschen skaten?

Wenn man Lust hat, zu skaten, findet sich meist ein Weg. Wir wollen ein Skateboarding und Rollstuhlskaten, bei dem Menschen mit Behinderung den Sport so adaptieren, dass er für sie machbar ist. Wer nur ein Bein hat, skatet mit Prothese. Jemand ohne Beine sitzt auf dem Skateboard. Eine Person im Rollstuhl skatet mit dem Rollstuhl. Ein blinder Mensch skatet, indem er vorher den Skatepark abtastet. Skateboarden hat keine starren Regeln und lässt sich für alle anpassen.
 

„Man sagt ja leider noch oft: ‚an den Rollstuhl gefesselt sein‘, aber eigentlich war ich vorher ans Bett gefesselt. Der Rollstuhl war von Anfang an mein Freund.“

David Lebuser
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David Lebuser nutzt die Architektur in seiner Umgebung für Streetskating mit seinem Rollstuhl.

Wie bist du zum Rollstuhlskaten gekommen?

Ich hatte vor 15 Jahren einen Unfall und bin seitdem querschnittsgelähmt. Direkt im Krankenhaus hat mir ein Freund ein Video des bekannten amerikanischen Rollstuhlskaters Aaron Fotheringham gezeigt, das mich sehr beeindruckt hat. Mein erster Rollstuhl hat mich total begeistert. Man sagt ja leider noch oft „an den Rollstuhl gefesselt sein“, aber eigentlich war ich vorher ans Bett gefesselt. Der Rollstuhl war von Anfang an mein Freund, da er mich aus dem Bett befreit hat, und ich hatte viel Spaß dabei, ihn auszuprobieren. In der Reha übte ich, über Kanten zu fahren, später auch Treppen runter- und hochzukommen. Als ich mich das erste Mal selbstständig vom Boden in den Rollstuhl heben konnte, fuhr ich zu einem Skatepark. Das war mein Startschuss. Und auch wenn ich direkt beim ersten Mal umgefallen bin, habe ich mich tierisch gefreut über die wiedergewonnene Freiheit. Seitdem bin ich regelmäßig im Skatepark.

Wie entwickelst du deine Tricks und was hat das mit Forschen gemein?

Viele meiner Tricks habe ich vom Skateboarding abgeguckt. Ich habe viel experimentiert und ausprobiert. Durch Corona bin ich wieder mehr zum Streetskating gekommen, als nur kleine Grüppchen erlaubt und die Skateparks geschlossen waren. Da habe ich wieder viel getestet und sehr viel Spaß am Experimentieren entwickelt. Welche Kanten kann ich nutzen, welche Elemente in der Stadt kann ich einbinden? Das ist ein bisschen wie Forschen.

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Voll in seinem Element: David Lebuser beim Skaten mit seinem Rollstuhl.

Ihr habt das Projekt „Sit’n’Skate“ gegründet, um unsere Gesellschaft inklusiver zu gestalten und gegen vorherrschende Vorurteile anzugehen. Wie setzt ihr das konkret um?

Wir haben damit angefangen, Rollstuhlfahrer:innen zu fotografieren bzw. filmen, die coole Tricks machen und sich frei bewegen. Wir wollten das gängige Vorurteil zerstören von den traurigen Menschen im Rollstuhl, die nichts machen können. Mittlerweile geben wir Skatekurse, um einer inklusiven Gesellschaft näherzukommen, vorrangig für Menschen im Rollstuhl. Wir schaffen einen Safe Space, wo sie sich austauschen, ausprobieren und spielerisch Rollstuhlfahren lernen. Denn wenn Rollstuhlfahrer:innen sicherer im Alltag sind, können sie teilhaben an der Gesellschaft, sie werden sichtbar. Andere Menschen sehen dann, dass sie sehr wohl viel machen können und genauso individuell sind wie alle anderen auch.

Wo hindern dich Barrieren an deiner Bewegungsfreiheit und wie gehst du damit um?

In meinem Alltag hindern mich regelmäßig Barrieren – und das, obwohl ich sicher im Rollstuhl bin. Wenn ich z. B. mit meinem gesamten Einkauf die drei Stufen vor dem Supermarkt nicht runterkomme. Oder wenn der Aufzug am Bahnhof kaputt ist, Läden in der Fußgängerzone eine kleine Stufe ohne Anlegerampe haben, Innenstadttoiletten nicht rollstuhlgerecht sind oder wenn ich zu einem Konzert gehen will und der Ort nicht barrierefrei ist. Oft frustriert mich das sehr, zumal sich vieles leicht ändern ließe.


„Wir sollten den Kindern nicht vermitteln, dass sie ein Fehler sind, den man ausgleichen muss, sondern dass sie Talente haben.“

David Lebuser

Wie können pädagogische Fachkräfte Kinder mit Behinderungen empowern?

Sie sollten die defizitorientierte Brille abnehmen und die empowernde aufsetzen und die Potenziale der Kinder fördern, um sie zu motivieren. Z. B., indem sie Kindern Rollstuhlfahren oder Gebärdensprache beibringen – statt bei jenen mit Gehbehinderung nur zu versuchen, sie zum Laufen zu bringen, oder bei Gehörlosen, dass sie Lautsprache verstehen. Wir sollten den Kindern nicht vermitteln, dass sie ein Fehler sind, den man ausgleichen muss, sondern dass sie Talente haben, die man fördern kann. Sie sind eben anders und das ist okay.

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SIT’N’SKATE ist ein gemeinnütziges Projekt der SUPR SPORTS gGmbH und hat sich dem Ziel verschrieben, die Gesellschaft inklusiver zu gestalten und Vorurteile abzubauen. Der Fokus liegt darauf, regelmäßige Rollstuhl-Skate-Treffen zu organisieren, bei denen Teilhabe und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen. Die Bilder von Rollstuhlfahrer*innen im Skatepark sollen außerdem die Sicht auf behinderte Menschen verändern.

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Was bedeutet Freiheit für dich persönlich?

Für mich bedeutet das, mich selbst entfalten zu können. Selbstbestimmt und selbstständig zu leben. Meine größte Freiheit erlebe ich im Skatepark. Da kann ich alles abschütteln, all den Stress aus dem Alltag. Da bin ich nur noch David, der Skater, und kann mich gut fokussieren auf das, was ich dort vorhabe. Schön wäre es natürlich, wenn alles barrierefrei wäre, ich nirgends ausgeschlossen würde und diese Freiheit überall haben könnte.

Forscht mit! zum Thema "Entdecken, Forschen, Freisein!"

Das Interview ist in der "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 01/2024 erschienen.
Stell dir eine Welt vor, in der du alles tun kannst. Eine Welt, in der du deine Träume leben, deine eigenen Entscheidungen treffen und all deine Ideen verwirklichen kannst – das ist die Welt der Freiheit. Frei zu sein wie ein Vogel oder wie der Wind – wer möchte das nicht? Unser Magazin lädt dich dazu ein, mit den Mädchen und Jungen auf Entdeckungsreise zu gehen. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik helfen ihnen dabei, herauszufinden, wie sich Freiheit anfühlt, wie sie sie bewahren und wie sie selbstbestimmt leben können.
 

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Portrait von Daniela Krebs
Autor/in: Daniela Krebs

Als Referentin für Presse, Public Affairs und Digitale Kommunikation setze ich mich dafür ein, dass #gutefrüheBildung für alle Kinder ermöglicht wird. Ich arbeite in der Stiftung daran, die Themen rund um gute frühe MINT-Bildung und die Arbeit der Stiftung bekannter zu machen.

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