"Ein Handy reicht, um anzufangen"

Zwei entwickelte Schwarz-weiß-Fotos hängen auf einer Wäscheleine.
© Dominik Grübl
Bei Kindern steht das Motiv im Mittelpunkt, sagt Dominik Grübl.

Fotografie kann Abwechslung in den Alltag bringen und ermöglicht es Kindern, sich auszudrücken – im Zweifel auch ohne Worte. Kulturpädagoge Dominik Grübl hat Tipps, wie sich die Arbeit mit der Kamera in Kita, Hort und Grundschule ganz praktisch einbringen lässt und welches Wissen bzw. welche Ausstattung dafür nötig ist.

Porträtbild von Dominik Grübl
© privat
Dominik Grübl ist Heilerziehungspfleger und Kulturpädagoge.

Können Kita- und Grundschulkinder überhaupt schon fotografieren?

Da gibt es von mir ein klares Ja. Jede bzw. jeder kann fotografieren und das Vorschulalter eignet sich gut, um anzufangen.

Warum das Vorschulalter?

Mit etwa vier Jahren setzt die Selbstwirksamkeit ein. Kinder erleben bewusst, dass sie etwas erschaffen können. Darum geht es beim Fotografieren: etwas Konkretes zu gestalten und kreativ zu sein. Über Fotografie können Kinder sich ausdrücken und das auch ohne Worte. Deshalb funktioniert Fotografie z. B. besonders gut in integrativen Kindergärten oder auch in mehrsprachigen Einrichtungen.

Was unterscheidet die Herangehensweise von Kindern von der von Erwachsenen?

Bei Kindern steht in der Regel das Motiv im Vordergrund. Sie sehen etwas und das wollen sie zeigen. Erwachsene wollen oft ein technisch perfektes Bild machen. Da geht es um die Bildkomposition, das Licht oder den Goldenen Schnitt. Das Motiv tritt eher in den Hintergrund.

Über Fotografie können Kinder sich ausdrücken und das auch ohne Worte.

Dominik Grübl, Kulturpädagoge

Warum lohnt es sich, in Kita, Hort oder Grundschule mit Fotografie zu arbeiten?

Fotografie lässt sich als Methode gut in den Alltag einflechten, um Themen zu bearbeiten, und kann eine Abwechslung zu dem sein, was man sonst macht. Gerade wenn Kinder digital fotografieren, gibt es keinen langen Prozess: Sie drücken den Auslöser und haben ein Bild. Gleichzeitig ist Fotografie sehr breit gefächert. Es lassen sich ganz unterschiedliche Dinge machen, digital genauso wie analog. Deshalb ist immer die erste Frage: Was ist das Ziel des pädagogischen Angebots?

Wie können pädagogische Fach- bzw. Lehrkräfte ganz praktisch anfangen?

Wenn ich mit Kindern arbeite, lasse ich sie viel ausprobieren und gebe ihnen dazu kleine Arbeitsaufträge: Mach eine Sache ganz groß oder ganz klein. Auf diese Weise lernen sie z. B. die Vogel- und die Froschperspektive kennen. Sie schauen, wie die Dinge aussehen, wenn sie mit der Kamera ganz nah ran- oder davon weggehen, wenn sie von oben oder von unten fotografieren. Die Fragen der Kinder kommen dann von ganz allein und ich kann darauf eingehen und Theorie einfließen lassen.

Aktuelle Ausgabe: "Die Welt im Fokus" (02/2023)

Das Interview ist in der neuen "Forscht mit!"-Ausgabe Nr. 02/2023 zu finden.
Fotografie bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an MINT-Inhalte und lässt sich gut mit dem Thema "Digitalisierung" verbinden. Die Kamera ist gleichermaßen technisches Gerät und künstlerisches Werkzeug. Sie macht Dinge sichtbar, Kinder können mit ihr Geschichten erzählen. Pädagogische Fach- und Lehrkräfte können die Mädchen und Jungen dabei gut begleiten: wenn diese mit dem digitalen Mikroskop Objekte betrachten oder eine Fotoausstellung der Forschungsgegenstände organisieren. In der Ausgabe der "Forscht mit!" erwarten dich viele spielerische Forscherideen zum Thema "Fotografie". Im Heft findest du gute Beispiele aus der Praxis von Kita, Hort und Grundschule – vom Bau eines einfachen Objektivs bis zur Motivauswahl.

Pädagogische Fach- und Lehrkräfte haben selten fundiertes Wissen zu Fotografie. Welches Know-how brauchen sie?

Wichtig ist, dass sie keine Angst haben, das Thema anzugehen. Fotografie ist etwas, bei dem Erwachsene selbst ganz viel entdecken können. Die Grundprinzipien lassen sich recht schnell lernen: Wie kommt das Bild in die Kamera? Was ist eine Blende und was hat sie mit Belichtung und Zeit zu tun? Was ist für den Bildaufbau relevant? Welche Perspektive wähle ich? Wenn ich das weiß, kann ich schon ein erstes Angebot machen. Mehr Know-how braucht es beim Entwickeln von analogen Fotos. Hier gibt es verschiedene Fehlerquellen, die ich kennen muss. Und ich muss wissen, wie ich im Prozess Fehler beheben kann, wenn sie passieren.

Welche Ausstattung ist sinnvoll, um mit Fotografie zu arbeiten?

Im Grunde reicht schon ein Handy, um anzufangen. Ein Drucker wäre noch schön, um Bilder auszudrucken und gemeinsam anschauen zu können. Wenn ich mit Kindern und Jugendlichen digital arbeite, lege ich Wert darauf, dass sie die Sachen zu Hause nachmachen können. Deshalb nutze ich in Workshops z. B. frei zugängliche Bildbearbeitungssoftware. Für die analoge Fotografie braucht es dagegen eine gewisse Grundausstattung, beispielsweise um Bilder zu entwickeln. Aber auch die kann man gebraucht zu erschwinglichen Preisen kaufen.

Kinder lernen, anders zu sehen. Wenn sie regelmäßig auf Motivsuche gehen, öffnet sich der Blick.

Dominik Grübl, Kulturpädagoge

Wie lässt sich die Fotografie langfristig in den Alltag integrieren?

Etwa indem man sie zur Dokumentation nutzt. Mit Fotos lassen sich Dinge sichtbar machen, die man sonst nicht sieht, z. B. das Wachsen von Pflanzen. Die Kinder könnten über einen längeren Zeitraum jeden Tag das gleiche Bild von einer Pflanze machen. Betrachtet man am Ende alle Bilder hintereinander im Zeitraffer, kann man sehen, wie die Pflanze wächst. Oder man nutzt Fotos als Reflexionsmittel. Ich habe als Erzieher in einer Kita die Kinder z. B. gebeten, ihre dortigen Lieblingsorte oder ihr Lieblingsspielzeug zu fotografieren. Anschließend haben wir dann in der Gruppe darüber gesprochen, was sie fotografiert haben und warum. Oder man hat eine Kamera bzw. ein Handy bei einem Ausflug dabei und jedes Kind darf zwei Fotos machen. Zurück in der Kita bespricht man dann wieder, warum ein Kind ausgerechnet dieses Motiv gewählt hat. Eine schöne Begleiterscheinung von all dem ist, dass Kinder lernen, anders zu sehen. Wenn sie regelmäßig auf Motivsuche gehen, öffnet sich der Blick. Sie nehmen Dinge anders wahr und alltägliche Gegenstände werden plötzlich besonders.

Über Dominik Grübl

Dominik Grübl unterstützt ein Kind dabei, ein Foto in einer Dunkelkammer zu entwickeln.
© Dominik Grübl

Dominik Grübl ist Fachkraft für Heilerziehungspflege und Kulturpädagoge mit Schwerpunkt Fotografie. Er gibt Fotografie-Workshops für Kinder und Jugendliche, Pädagog:innen sowie für Menschen mit Beeinträchtigungen. Mehr über seine Arbeit erfährst du auf seiner Website: www.jukifo.de

Portrait von Katharina Hanraths
Autor/in: Katharina Hanraths

Als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist es mein Ziel, dass so viele Menschen wie möglich erfahren, was die Stiftung Kinder forschen macht und anbietet. Nicht einfach nur, weil es mein Job ist, sondern weil ich überzeugt bin, dass gute frühe MINT-Bildung Kindern noch viel mehr bringt als bloßes Wissen über Aggregatzustände und Stromkreise.

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