Das Weltall wird weiblich

Ein Kind ist als Astronaut verkleidet
© Jo Bayer/Stiftung Kinder forschen
Völlig schwerelos im Weltall - toll!

Als Kind schon war Suzanna Randall fasziniert vom Nachthimmel – den Sternen, Nebeln und Galaxien. Jetzt trainiert die Astrophysikerin im Trainingsprogramm der Initiative "Astronautin" dafür, als erste deutsche Frau ins All zu fliegen. Ein guter Anlass für ein Gespräch mit ihr!

Wenn Sie sich an Ihre Kindheit zurückerinnern: Gab es da etwas oder jemanden, was oder der Sie stark beeinflusst hat in Ihrer Entscheidung, Astrophysikerin zu werden?

Als Kind hatte ich in meinem Umfeld niemanden, der mich in Richtung Naturwissenschaften oder Technik gezogen hat. Aber die Astronomie, der Nachthimmel und die schönen Bilder von Planeten, Nebeln und Galaxien haben mich immer fasziniert. Ich wollte den Weltraum entdecken und am liebsten auch selbst dorthin fahren. In der Schule war ich aber nie sonderlich gut in Mathe oder Physik und dachte deswegen nicht, dass ich es schaffen könnte, Astronomin oder gar Astronautin zu werden. Zum Glück hatte ich dann in der Oberstufe einen tollen Physiklehrer, der den Unterricht interessant gestaltet hat. Mit dem Interesse an der Physik kamen auch die guten Noten und ich entschloss mich schließlich, Astronomie zu studieren.

Würden Sie sagen, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich auf MINT-Bildung reagieren? Wenn ja: inwiefern?

Ich glaube, dass Mädchen sich eher für Naturwissenschaften und Technik begeistern, wenn man ihnen dazu Anwendungsmöglichkeiten vermittelt. Für mich wurde Physik vor allem dadurch interessant, dass ich wissen wollte, wie das mit den Sternen, Planeten und Monden funktioniert. Physik ohne die astronomische Praxis hätte ich auch nicht studiert; es war mir ganz wichtig, von der ersten Woche an das Gelernte in der Sternwarte anwenden zu können. Natürlich kann der praktische Bezug, der die Physik plötzlich interessant macht, für jedes Mädchen unterschiedlich sein. Aber ich denke, dass es für Mädchen noch mehr als für Jungs wichtig ist, einen Sinn in dem, was sie lernen, zu erkennen.

Portraitfoto der Astronautin Suzanna Randall
© Suzanna Randall
Will die erste deutsche Frau im All werden: Suzanna Randall

Mehr Mädchen in Technik und Naturwissenschaften!

Sie wollen als erste deutsche Frau ins All fliegen. Warum ist für diesen Schritt die Unterstützung durch eine private Initiative notwendig?

Es ist Deutschland mit seinen etablierten Strukturen bis heute nicht gelungen, eine Frau ins All zu schicken. Und das, obwohl die Bundesrepublik mit elf Astronauten nach den USA und Russland eine der führenden Raumfahrtnationen ist. Kein anderes Land mit mehr als drei Astronautinnen bzw. Astronauten hat noch keine Frau entsandt! Und das vermittelt unserer Meinung nach ein ganz schlechtes Bild von der Stellung der Frau in unserem Land. Wie sollen unsere Mädchen glauben, dass ihnen auch in den naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen alle Türen offenstehen, wenn sie im prestige- und aufmerksamkeitsträchtigsten Bereich der Raumfahrt nur Männer sehen?

Was, meinen Sie, müsste sich in der Bildungslandschaft verändern, damit mehr Mädchen sich für die MINT-Fächer begeistern?

Ich denke, diese Studiengänge und Berufe müssen einfach attraktiver werden, damit Mädchen sie wählen. Dazu gehört vor allem, dass sie mehr Frauen in diesen Bereichen erleben, auch in hohen, prestigeträchtigen Posten. Dann sollten sie gezielt ermuntert werden, etwaige Neigungen in diese Richtung auszuleben, zum Beispiel durch Aktionen wie den Girls' Day.

Was, glauben Sie, würde das mit unserer Gesellschaft machen?

Unsere Gesellschaft kann nur gewinnen, wenn auch Mädchen und Frauen in die klassischen Männerdomänen strömen. Zum einen sind technisch-naturwissenschaftliche Berufe sehr zukunftsträchtig und werden in nächster Zeit so viele hoch qualifizierte Arbeitnehmende wie möglich brauchen. Zum anderen wird in Studien immer wieder gezeigt, dass in gemischten Teams kreativer gearbeitet und besser miteinander kommuniziert wird. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Daher ergeben sich nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Männer in unserer Gesellschaft Vorteile, wenn beide Geschlechter in allen Bereichen und auf sämtlichen Ebenen zusammenarbeiten.

Schokolade und Schwerelosigkeit

Was möchten Sie erforschen, wenn Sie im All sind?

Wir sind zurzeit noch in Gesprächen mit unterschiedlichen Investorinnen und Investoren, um die Forschungsschwerpunkte der Astronautin auf ihrer Mission festzulegen. Ich möchte vor allem viel Bildungsarbeit leisten, um damit Kindern und auch Erwachsenen die Schwerelosigkeit und das Leben auf der ISS zugänglich zu machen. Zusätzlich planen wir Experimente im Bereich der weiblichen Physiologie und Psychologie sowie der Materialwissenschaft. Besonders reizen würde mich persönlich die Idee, in der Schwerelosigkeit hochfeine Schokolade herzustellen. Schokoladentest-Astronautin – das wäre wirklich mein absoluter Traumjob!

Und wie fühlt sich Schwerelosigkeit an?

Ich war zwar noch nicht im Weltall, aber bei den Parabelflügen Anfang dieses Jahres durfte ich die Schwerelosigkeit zumindest schon mal kurzzeitig erleben. Pro geflogener Parabel ist man 22 Sekunden schwerelos – ein unglaubliches Gefühl, das mit nichts wirklich zu vergleichen ist. Am Nächsten kommt es wohl noch dem Tauchen, wo man ja auch unter Wasser schwebt. Aber da hat man den Widerstand des Wassers und kann sich schwimmend fortbewegen. In der Schwerelosigkeit geht das nicht, man muss sich immer irgendwo abstoßen, um sich fortzubewegen. Das Gefühl ist Freiheit pur!

Die Astronautin schwebt während eines Tests
© Suzanna Randall
Fast wie Fliegen: Suzanna Randall schwebt

"Astronautin": für eine Frau im All

Zu Dr. Suzanna Randall: Die 38-Jährige gebürtige Kölnerin hat Astronomie in London studiert und im kanadischen Montreal promoviert. Zurzeit arbeitet sie in der Europäischen Südsternwarte in Garching bei München. Die private Initiative "Astronautin" engagiert sich dafür, 2020 die erste deutsche Frau ins All zu schicken. Die zweite Kandidatin neben Dr. Suzanna Randall ist Dr. Insa Thiele-Eich.

Zur Initiative "Astronautin"

Das Interview ist auch in der "Forscht Mit!" 01/2019 erschienen.

Portrait von Mareike Mittelbach
Autor/in: Mareike Mittelbach

Ich bin Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den Netzwerken bei der Stiftung Kinder forschen. Mein Lieblingsnetzwerk verbindet Menschen mit einer großartigen pädagogischen Sicht auf die Kinder und die Welt. Ich bin ein riesiger Fan jedes begeisterten Pädagogen und jeder begeisterten Pädagogin und liebe es, all ihre spannenden Geschichten von Forschungs- und Entdeckungsreisen, großen und kleinen Erkenntnissen zu erzählen.

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